Die Osterzeit steht kurz bevor und somit auch Fragestellungen rund um den Urlaub in Zeiten von Corona - sowohl für den Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Wir haben beim Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner von der Kanzlei Martens & Wieneke-Spohler, Herrn Wieneke-Spohler, nachgefragt wie sich die Urlaubssituation arbeitsrechtlich verhält.
1. Darf der Arbeitgeber Arbeitnehmer verpflichten, Urlaubstage zu nehmen, auch wenn diese das ggfs. selbst gar nicht wollen?
Nach dem Bundesurlaubsgesetz kann der Arbeitgeber nicht einseitig die Zeiten des Urlaubs festlegen, sondern muss hierbei grundsätzlich die Wünsche und Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Hiervon kann nur durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung, also in Abstimmung mit dem Betriebsrat, in der Weise abgewichen werden, dass einheitliche Betriebsferien im Unternehmen für alle Mitarbeiter oder bestimmte Abteilungen festgelegt werden. Dennoch müsste der Arbeitgeber solche Betriebsferien mit angemessener Vorlaufzeit ankündigen.
Nur wenn der Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr keinen Urlaub beantragt hat, könnte der Arbeitgeber den Urlaubszeitraum für den Mitarbeiter festlegen. Dem könnte der Arbeitnehmer dann aber unter Hinweis auf eine andere Urlaubsplanung widersprechen. Auftragsmangel oder Störungen im Betriebsablauf, wie aktuell aufgrund der Corona-Krise, rechtfertigen die Anordnung, Urlaub zu nehmen nicht, da grundsätzlich der Arbeitgeber das sogenannte Betriebsrisiko trägt, also die Bezahlung seiner Arbeitnehmer ohne dass sie beschäftigt werden können.
2. Dürfen Arbeitgeber bereits genehmigten Urlaub widerrufen?
Genehmigter Urlaub kann grundsätzlich nicht einseitig vom Arbeitgeber widerrufen werden. Der Arbeitgeber muss sich an seine Urlaubsgenehmigung halten, ein einseitiger Widerruf ist grundsätzlich nicht zulässig. Nur ganz ausnahmsweise, wenn ansonsten dem Unternehmen ein sehr großer Schaden oder gar der Zusammenbruch droht, dürfte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter den Urlaub streichen oder ihn aus dem Urlaub zurück beordern. Dann muss aber gerade die Anwesenheit dieses Mitarbeiters notwendig sein, um die Existenz der Firma zu erhalten und für den Arbeitgeber darf es keine andere Möglichkeit geben, den großen Schaden für das Unternehmen abzuwenden. Allein Probleme mit der Urlaubsvertretung reichen hierfür jedoch auf keinen Fall aus, da sie lediglich organisatorische Probleme des Arbeitgebers darstellen.
3. Kann ein Arbeitnehmer seinen genehmigten Urlaub zurückgeben? Gibt es ggfs. Sonderregelungen für Eltern, Pflegende?
Für den Arbeitnehmer besteht keine Berechtigung, nur weil er in der aktuellen Zeit der Corona-Krise mit seinem Urlaub weniger anfangen kann bzw. geplante Urlaubsreisen storniert wurden, den Urlaub zurückzugeben. Das ginge nur in Absprache mit dem Arbeitgeber.
Eine Ausnahmeregelung gibt es lediglich für Mütter bzw. Eltern in Elternzeit. Kann wegen des Beschäftigungsverbotes aufgrund einer Schwangerschaft oder der beginnenden Elternzeit der bereits genehmigte Urlaub nicht in Anspruch genommen werden, verfällt der Urlaub nicht, sondern kann nach dem Ende des Beschäftigungsverbots bzw. nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr genommen werden. Das ergibt sich aus § 24 S. 2 MuSchG für das Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft bzw. aus § 17 Abs. 2 BEEG für die Elternzeit.
Im Falle der Pflege naher Angehöriger ergibt sich aber keine Besonderheit in Bezug auf genehmigten Urlaub.
4. In etwa jedem fünften deutschen Unternehmen können Mitarbeiter auf Arbeitszeitkonten Überstunden ansammeln und durch Freizeit ausgleichen. Kann der Arbeitgeber in der Krise darauf bestehen, dass diese jetzt abgebaut werden?
Die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos, ob im Arbeitsvertrag, gemäß Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag, dient gerade dazu, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit der Mitarbeiter flexibel gestalten kann. Mehrarbeit darf der Arbeitgeber dann durch Minusstunden ausgleichen und Überstunden müssen nicht gesondert vergütet werden. Würde der Arbeitgeber, ohne dass ein Arbeitszeitkonto geregelt wurde, Arbeitnehmer wegen Arbeitsmangels nach Hause schicken, müsste er dennoch die ausgefallene Zeit vergüten, da der Arbeitgeber das Risiko trägt, Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können. Im Falle der Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos im Arbeitsvertrag ist aber darauf zu achten, dass diese Regelung auch wirksam ist. Insbesondere ist das Transparenzgebot zu berücksichtigen, wonach zumindest der maximal zulässige Ausgleichszeitraum ausdrücklich angegeben werden muss.
5. Gelten andere Regeln für den Urlaubsanspruch, wenn das Unternehmen zur Kurzarbeit übergeht? (z.B. Was ist mit Urlaubsansprüchen bei durch Kurzarbeit verringerter Arbeit? / Kann ein Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Urlaub nehmen?/Wie hoch ist das Urlaubsentgelt während der Kurzarbeit?)
Die Einführung von Kurzarbeit steht einer Gewährung von Urlaub nicht entgegen. Trotz Kurzarbeit kann jeder Mitarbeiter auch in dieser Zeit Urlaub beantragen. Der Mitarbeiter, der dann seinen Urlaub nimmt, vermeidet für die Dauer seines Urlaubs Kurzarbeit, da aufgrund des Urlaubs kein Arbeitsausfall durch Kurzarbeit vermieden werden muss. Der Mitarbeiter erhält deshalb während seines Urlaubs auch kein Kurzarbeitergeld, sondern sein reguläres Gehalt. Um aber klarzustellen, dass Urlaub auch in Zeiten von Kurzarbeit genommen werden kann und der Kurzarbeit vorgeht, sollte dies so ausdrücklich in der Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit geregelt werden. Gleiches gilt auch für eine Vereinbarung zur Kurzarbeit mit den einzelnen Mitarbeitern.
Der Grundsatz, dass der Arbeitgeber nicht einseitig gegen den Willen von Arbeitnehmern Urlaub anordnen kann, gilt auch für die Kurzarbeit. Auch zur Vermeidung von Kurzarbeit kann deshalb der Arbeitgeber nicht Urlaub gegen anderweitige Urlaubswünsche des Mitarbeiters anordnen. Zu berücksichtigen ist noch im Zusammenhang mit Kurzarbeit, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Urlaub eines Arbeitnehmers, der wegen Kurzarbeit weniger gearbeitet hat, gekürzt werden darf. Das bedeutet im Falle von Kurzarbeit „Null“, dass für diese Zeit kein Urlaubsanspruch entsteht.
Christian Wieneke-Spohler, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Rechtsanwälte Martens & Wieneke-Spohler. Mit drei Fachanwälten für Arbeitsrecht beraten und vertreten sie sowohl auf Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmerseite in allen Bereichen des Individual- sowie Kollektivarbeitsrecht. Herr Wieneke-Spohler ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Hamburg.
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